Woher die Samen kommen – Besuch bei der Samengärtnerei Zollinger

Wir haben die Samenproduktion von Zollinger besucht. Nach einer Bootsfahrt über den Genfersee und einem gemütlichen Spaziergang erreichten wir Les Evouettes. Auf dem topfebenen Talboden am unteren Ende des Wallis baut die Familie Zollinger Saatgut an. Wir haben sie auf unserem Teamausflug besucht und teilen unsere Eindrücke von der Betriebsbesichtigung.

Morgen in Montreux. Bald geht’s mit dem Schiff über den See.

Der Betrieb von Zollinger Samengärtnerei in Les Evouettes im Wallis

Einfach erklärt, lässt man die Blumen und das Gemüse wachsen. Und zwar bis sie blühen und Samen bilden. Der Salatkopf wird also nicht geerntet, wenn er genussreif ist. Man lässt ihn aufstengeln, blühen und Samen bilden. Beim Fruchtgemüse entnimmt man die Samen aus den Früchten. Was in der Theorie ganz einfach klingt, ist in der Praxis dann doch etwas komplizierter.

Samen von Karotten ernten

Jedes Gemüse ist etwas anders im Anbau. Deshalb erklären wir die Abläufe für die Samengewinnung. Hier am Beispiel einer Karotte. Im Juni holt Zollinger die besten Karottensamen der letzten Ernte aus dem Lager und sät diese aus. Diese wachsen bis zum Herbst zu hübschen Karotten heran. Sie werden dann geerntet und verglichen. Da kommen allerlei Karotten zu Tage: Es gibt von grossen, schönen Karotten bis zu kleinen, von Schädlingen zerfressene Karotten alles. Die schlechtesten 10% der Karotten werden entsorgt. Die besten 10% separiert Zollinger von den anderen und nutzt dieses als Basissaatgut. Alle Karotten werden bis im Frühling eingelagert und dann wieder gepflanzt. Die Karotten des Basissaatgutes bauen sie an einem abgesonderten Platz wieder an, damit keine Vermischung entsteht. Daraus gewinnt Zollinger das Saatgut, das sie für die nächste Karotten-Saat einlagern. Im Juni und Juli wachsen Blüten mit Samen aus dem Karottengrün. Die Blüten werden von Hand abgeschnitten, nachgetrocknet und schlussendlich gedroschen.

Diese Karotten wurden im Frühling neu gesetzt und bilden jetzt Blüten aus

So blühen Karotten. In einer Blüte bilden sich sehr viele, kleine Samen.

Eine ausgesäte Karotte bildet Blüten mit unzählig vielen Samen. Bei Bohnen ist das ganz anders. Da kann man aus einer Bohnenpflanze nur etwa 30 Samen ernten. Das entspricht etwa einem Samenpäckli. Deshalb braucht der Bohnenanbau viel Fläche.

Tulipan Zollinger erklärt uns, dass Bohnen pro Pflanze nur sehr wenige Samen ausbilden.

Schwierigkeiten bei der Samenanzucht

Damit aus Blüten Samen oder Früchte entstehen, müssen viele Arten von Insekten bestäubt werden. So auch die Karotten. Bei gewissen Pflanzen besteht Kreuzungsgefahr. Eine Kreuzung entsteht, wenn eine Biene von einer Zucchini zu einer Zucchini einer anderen Sorte fliegt und diese bestäubt. Das will Zollinger natürlich unbedingt vermeiden, um sortenreines Saatgut zu erhalten. Dafür haben sie verschiedene Strategien entwickelt:

Räumliche Trennung: Zucchini A und Zucchini B mehr als etwa 800 Meter entfernt anbauen. Soweit fliegen fast keine Bienen von einer Pflanze direkt zur nächsten. Nur bei windbestäubenden Pflanzen, reichen auch 800 Meter nicht.

Zeitliche Trennung: Die Zucchini A einfach zwei Wochen früher aussäen als die Zucchini B. So blühen sie nicht zum gleichen Zeitpunkt.

Mechanische Trennung: Mit einem Netz können Insekten von Pflanzen abgehalten werden.

Auch der Freilandanbau hat seine Tücken. Das Wetter lässt sich nun mal nicht planen. Trotzdem setzt Zollinger bewusst auf die Samenanzucht im Freiland. Die Pflanzen sind so abgehärtet und an die Freilandbedingungen gewöhnt. Und so kann Zollinger gewährleisten, dass die Samen auch bei dir im Freiland oder im Topf draussen auf dem Balkon gut gedeihen und zu robusten Pflanzen heranwachsen.

Gezielte Fruchtfolge gegen Krankheiten

Wie auch in deinem Garten sind auch die Pflanzen bei Zollinger nicht immun gegen Krankheiten und Schädlinge. Diese bekämpfen sie rein biologisch. Nur etwa einen Drittel der Fläche kultiviert Zollinger für den Samenanbau. Auf den anderen Flächen wachsen Mais und Roggen oder eine Graswiese. So halten sie die Fruchtfolge ein. Baut man beispielsweise jedes Jahr auf der gleichen Fläche starkzehrende Pflanzen an, ist die Erde ausgelaugt und hat fast keine Nährstoffe mehr. Die Pflanzen kränkeln und der Druck von Schädlingen wird grösser. Deshalb wechselt man zwischen nährstoffzehrenden Kulturen und bodenanreichernden Pflanzen ab oder lässt die Fläche auch mal ein Jahr brach liegen. Eine Fruchtfolge solltest du auch für deinen urbanen Garten in Betracht ziehen und ihm zwischendurch eine Gründüngung gönnen.

Säubern, sortieren und abpacken

Nach der Ernte werden die Samen und Pflanzenreste getrocknet und später gedroschen.

Nachdem die Karottensamen auf dem Feld getrocknet und gedroschen wurden, werden sie drinnen gesäubert. Nicht mit Wasser nein. Aber zu den Samen haben sich viele Blätter- und Pflanzenteile in ähnlicher Grösse geschlichen, die nun von den Samen getrennt werden müssen. Dafür stehen bei Zollinger verschiedene Maschinen. Eine Maschine trennt mit Luftdruck die Spreu vom Samen. Alles wird hochgewirbelt. Der schwere Samen fällt runter, während die restlichen, leichteren Partikel weggeblasen werden. Natürlich ist nicht jeder Samen gleich schwer und die Maschine muss entsprechend voreingestellt werden. Eine andere Maschine funktioniert mit Zentrifugalkraft. Die Samen sammeln sich in der genoppten Trommelwand, während die Blätter- und Pflanzenteile dort keinen Platz finden und aus der Trommel gewirbelt werden. Die reinen Samen lagert Zollinger in luftdichten Fässern, bis sie abgepackt und ausgeliefert werden.

Diese Maschine sortiert die Samen mit Luftdruck von den Fremdpartikeln

Mit Zentrifugalkraft bleiben die Samen in der noppigen Trommel

Für das Abpacken steht eine jahrzehntealte Maschine bereit, die bis heute sehr gute Dienste leistet. Doch nicht alle Samen können maschinelle abgepackt werden. Etwa 20% der Sorten werden in aufwändiger Handarbeit gewogen und in die Tüten gepackt.

Hier werden 80% der Samen maschinell abgepackt

Nun stehen die Tüten im Lager und sind bereit zum Versand. Damit du auch wirklich keimfähige Samen erhältst, macht Zollinger von allen Samensorten zwei Mal im Jahr eine Keimprobe.

Die Samen lagern vor dem Versand kühl und dunkel

Wie Zollinger das alles schafft

Zollingers kommen ursprünglich aus dem Thurgau und begannen dort 1984 mit der biologischen Samenzüchtung. 1991 konnten sie den 25 Hektar grossen Betrieb in Les Evouettes übernehmen und so ihr Artenspektrum ausdehnen. Inzwischen haben die Söhne Til, Tizian und Tulipan den Betrieb übernommen. Sie führen rund 400 Samensorten im Sortiment. Pro Jahr testen sie 100 bis 150 neue Sorten. All die Arbeiten schaffen sie mit 20 Mitarbeitenden.

Profitipp: Kürbis und Zucchetti von Hand bestäuben

Zucchetti und Kürbis brauchen eine weitere Pflanze in der Nähe zur Bestäubung. Ist das nicht der Fall, kannst du sie selber von Hand bestäuben. Dazu schälst du einer männlichen Blüte die Blütenblätter ab und drückst sie auf den Pollen der weiblichen Blüte. Die weibliche Blüte erkennst du einfach, wenn sich zwischen Stiel und Blüte ein Fruchtknoten, also eine Mini-Zucchetti oder Mini-Kürbis, gebildet hat. Die männlichen Blüten wachsen direkt aus dem Stiel. Werden die weiblichen Blüten nicht bestäubt, bilden sich die Fruchtknoten nicht weiter aus und du kannst keine Zucchetti oder Kürbis ernten.

So sieht eine weibliche Gurkenblüte mit Fruchtknoten aus. Bei den Zucchini und Kürbis sieht das sehr ähnlich aus.

Herzlichen Dank an Till und Tulipan Zollinger, dass sie sich an einem wunderschönen Sonntag Zeit für unser VEG-Team genommen haben. Willst du mehr über die Samengärtnerei Zollinger erfahren? Dann gehts hier zur Webseite.